60 km/h kontra Lärmschutz in Suhl; ein Weiter so gegen jedes Sachargument?
Bloß keine Veränderung. Suhl beweist wieder einmal seine Autozentriertheit: Sind wenige Sekunden Zeitvorteil wichtiger als der Schutz der Bürger und Anlieger?
Um den Verkehrslärm an der Hauptdurchgangsstraße in Suhl zu verringern, befürworten die Fachämter der Stadt, die zulässige Geschwindigkeit von 60 km/h auf 50 km/h zu reduzieren. Dies betrifft die gesamten Länge der Ortsdurchfahrt – vom Fröhlichen Mann aus Richtung Zella-Mehlis kommend über die Friedrich-König-Straße, die Theodor-Neubauer-Straße und die Schleusinger Straße bis hinauf zum Friedberg. Damit verbunden wäre eine Neuprogrammierung der Ampelschaltungen, um die bislang sehr gut funktionierende „grüne Welle“ zu erhalten. Gemäß Fortschreibung des Lärmaktionsplanes wäre dies ein einfaches und wirkungsvolles Mittel, um Verkehrslärm effektiv zu verringern. Erwiesenermaßen reduzieren sich mit der Geschwindigkeit auch Feinstaubauststoß, Abgasausstoß und es erhöht sich die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer.
Die CDU lehnt die Reduzierung auf 50 Stundenkilometer ab und argumentiert gemäß Freiem Wort: Der sehr gut funktionierende Verkehrsfluss durch die Stadt werde gehemmt und es sei nicht erwiesen, ob mit einer Geschwindigkeitsreduzierung um 10 km/h tatsächlich eine deutliche Lärmverringerung einhergehe.
Was hat es auf sich mit dieser Begründung?
Der Entwurf des Lärmaktionsplans belegt, um wieviel die Lärmbelastung der betroffenen Anwohner durch die Geschwindigkeitsreduzierung sinken würde.
Zudem ist in der Fachwelt unstrittig und sowohl rechnerisch als auch messtechnisch nachweisbar, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung eine Verbesserung des Verkehrsflusses bewirkt. Je langsamer Autos fahren, desto flüssiger ist die Fahrweise und desto geringer sind die Abstände. Dadurch passen mehr Autos gleichzeitig auf die Straße und die störungsfrei fahrbare Dichte wird höher. Das Risiko für die Verkehrsteilnehmer sinkt (https://boku.ac.at/fileadmin/data/H03000/H85000/H85600/News/Tempo140_Argumente1.pdf). Feinstaubausstoß und Abgasausstoß werden reduziert.
Ein weiteres Problem könnte mit der Temporeduzierung beseitigt werden. Die angeordnete Geschwindigkeit von 60 km/h ist in den überwiegenden Bereichen nicht rechtskonform, weil separate Radverkehrsanlagen für beide Richtungen fehlen. So die Regel der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung zu Zeichen 274 Randziffer VIII: „Innerhalb geschlossener Ortschaften kommt eine Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf höchstens 70 km/h grundsätzlich nur auf Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) in Betracht, auf denen benutzungspflichtige Radwege vorhanden sind und der Fußgängerquerverkehr durch Lichtzeichenanlagen sicher geführt wird. Für Linksabbieger sind Abbiegestreifen erforderlich.“
Was bringt Tempo 60 für Vorteile? Wenn konstant 60 km/h gefahren werden kann, dann ist ein Fahrzeug auf einem Kilometer Strecke 12 Sekunden schneller als mit 50 km/h. Also nur dann, wenn keine Abbieger langsam werden, kein noch so kleiner Rückstau durch die Ampelphase besteht, kein Bus oder langsam fahrendes Fahrzeug vor einem ist, keine unkontrollierten Spurwechsel erfolgen, ...).
Dagegen steht eine nachgewiesene geringere Belastung der Anlieger durch Lärm und Abgase sowie mehr Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger und eine rechtskonforme Anordnung der Geschwindigkeit.
Die Argumente der CDU sind fachlich nicht zu halten. Was ist ihre Motivation? Glaubt man tatsächlich, eine Stadt mit viel und schnellem Autoverkehr ist attraktiv zu machen? Wenn Suhl eine Zukunft haben soll, dann braucht es Zuzug von jungen Familien. Dazu braucht es einen Wandel und kein "weiter so". Sollte sich an dieser Einstellung nichts ändern, dann hat Tempo 60 auch etwas Gutes: Man ist schnell durch durch Suhl und kann es glücklich hinter sich lassen.