Suhl: Tempo 50 zwischen Döllberg und Friedberg
Die Freigabe eines Teilstücks der Schleusinger Straße wurde aufgehoben. Zulässig sind nur noch 50 km/h. Grund ist die Verkehrssicherheit. Der erforderliche baulich gerennte Radweg fehlt weiterhin.
Ende Juli 2024 wurde Zulassung der Schleusinger Straße (L3247) von 60 km/h aufgehoben. Damit darf dort, wie innerorts üblich, nur noch 50 km/h gefahren werden. Die Strecke verläuft in etwa von der Straße "Am Hoheloh" bis zum Ortsausgangsschild in Richtung Schleusingen.
Grund für die Maßnahme ist das Bestreben der Stadt, den Verkehr generell sicherer und damit auch attraktiver zu machen. Besonders im Fokus ist dabei die Sicherheit der verletzlicheren Menschen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad am Verkehr teilnehmen. Mit der Regelung wendet die Stadt Suhl geltendes Verkehrsrecht an. Eine Erhöhung der zulässigen Geschwindigkeit innerorts ist nur zulässig, wenn benutzungspflichtige Radwege vorhanden sind (Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung zu Zeichen 274 Randziffer VIII).
Aus der Suhler Stadtverwaltung heißt es zur Maßnahme:
„Die Schleusinger Straße / L3247 ist eine wichtige Verbindung im Radverkehrsnetz der Stadt und auch im überregionalen Radverkehrsnetz. Ihre Bedeutung wurde in der Vergangenheit in mehreren Gutachten und Studien hervorgehoben, aktuell durch die Ausweisung im Alltagsroutennetz des Freistaats Thüringen sowie in dem gerade im Abschluss befindlichen Radverkehrskonzept für Suhl, Schleusingen, Zella-Mehlis und Oberhof. Für die Verbindung der Aue und der Suhler Innenstadt mit Schulen, Krankenhaus, Gewerbegebiet "Friedberg" und dem Nachbarort Schleusingen gibt es keine vertretbare Alternative. Doch Radfahren auf der Schleusinger Straße ist gefährlich. Viele Autofahrer verhalten sich vorbildlich, halten den vorgeschriebenen Überholabstand von 1,50 m ein oder wechseln die Spur und drosseln aus Rücksicht das Tempo. Dennoch wird immer wieder berichtet, dass es einen Teil an unaufmerksamen, gedanken- oder rücksichtslosen Fahrern gibt, die zu eng an den Radfahrenden vorbeifahren, teilweise mit überhöhter Geschwindigkeit. Damit erzeugen sie eine Gefahrenlage und bedrängen schwächere Verkehrsteilnehmer. Sie kalkulieren nicht ein, dass ein Radfahrender von Seitenwind getroffen werden kann, einem Hindernis ausweichen muss oder aus anderen Gründen schwankt. In dieser Situation ist ein Unfall vorausprogrammiert, der in der Regel schwere Verletzungen oder sogar den Tod des Radfahrers zur Folge hat.“
Die verkehrsrechtliche Problemlage der bisher zulässigen 60 km/m trotz fehlender Radwege besteht auch auf weiteren Teilstücken der L 3247 ab der Viaduktkreuzung. Der Radweg an der Dr.-Theodor-Neubauer-Str. darf aufgrund der baulichen Gegebenheiten und der derzeitigen Beschilderung nicht bergauf benutzt werden. Radfahrende ab einem Alter von 10 Jahren sind hier von Rechts wegen gezwungen, auf der Fahrbahn zu fahren, obwohl dort 60 km/h erlaubt sind.
Die Überprüfung der alten "Verkehrsrechtlichen Anordnung" von 60 km/h auf rechtmäßigkeit wurde vom ADFC Südthüringen angeregt, nachdem wiederholt Radfahrende auf dieser Strecke mit überhöhter Geschwindigkeit und zu geringem Abstand passiert wurden. Der ADFC vertritt die Interessen der Fahrradfahrenden in Deutschland und setzt sich besonders für das faire und rücksichtsvolle Miteinander aller am Verkehr teilnehmenden ein. Der Kreisverband Südthüringen des ADFC engagiert sich unter anderem in der Stadt Suhl. Er führt regelmäßig Gespräche mit der Stadtverwaltung und wird zu Stellungnahmen bei Verkehrsplanungen hinzugezogen. So auch zur ursprünglichen Planung im Zuge der Sanierung der Straße zum Friedberg einen Radweg herzustellen, der eine sichere Verkehrsführung ermöglicht. Diese für alle Verkehrsteilnehmer sinnvolle und faire Lösung scheiterte leider im Stadtrat.
Dabei ist es längst überfällig die Radverkehrsinfrastruktur in Suhl zu stärken. Mit dem JobRad und dem steigenden Umweltbewusstsein der Menschen steigt die Anzahl der Radfahrenden im Stadtgebiet. Das Ziel sollte sein, dass Kinder und Jugendliche sowie selbstverständlich alle Erwachsenen ihre täglichen Wege zur Schule, Arbeit und Freizeit selbstständig mit dem Rad bestreiten können, ohne auf Gehwege ausweichen zu müssen. Denn dort bedrängen und gefährden sie Fußgänger.
Mit der Maßnahme und weiteren Verbesserungen für Rad und Fußverkehr holt die Stadt Versäumnisse im Hinblick auf die Verkehrssicherheit nach.
Aus den Pressemeldungen und Kommentaren sowie dem Verhalten einiger Autofahrer wird ein Anspruchsdenken zur exklusiven Straßenbenutzung erkennbar, dass rechtlich keine Begründung findet.
Das deutsche Straßenverkehrsrecht kennt keine Bevorzugung einer Verkehrsart. Alle haben das gleiche Recht vorhandene Verkehrswege zu benutzen und einen Anspruch auf Sicherheit. Verankert ist zudem der Schutz der jeweils Schwächeren. Das oberste Gebot in den verbindlichen Anwendungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnugn ist die „Vision Zero“- keine Toten oder Schwerverletzten im Straßenverkehr. Und gerade die Rechte der Radfahrenden wurden in der Vergangenheit durch mehrere Änderungen im Verkehrsrecht gestärkt, die offensichtlich noch nicht in das Bewusstsein aller Kraftfahrzeugführer gedrungen sind:
- Der Überholabstand zu Radfahrenden muss innerorts mindestens 1,5 m und außerorts 2 m betragen.
- Radfahrende dürfen auf der Straße nebeneinander fahren, sofern sie den Verkehr nicht behindern. Eine Behinderung beginnt, wenn mehr als drei Autos aufgestaut werden.
- Radfahrende dürfen an Ampeln langsam rechts vorbeifahren, damit sie nicht in den Abgasen der wartenden Kfz stehen müssen und um besser sichtbar zu sein.
um nur wenige zu nennen.
In der Presse wurden in Zuschriften erwähnt, es sei auf der Schleusinger Straße noch nichts passiert. Das ist einerseits falsch, andererseits aus Sicht der Radfahrenden nicht nachvollziehbar. Die Zeit zuerst Menschenopfer zu bringen bevor Gefahrstellen beseitigt werden sollten vorbei sein. Fahrzeuge, die mit fast 2 Tonnen Stahl und hoher Geschwindigkeit eng und mit entsprechender Geräuschkulisse von hinten an einem Menschen vorbeigelenkt werden, der keine Knautschzone und keinen Airbag hat, erzeugen Angstgefühle. Anders ist nicht zu erklären, dass erwachsene Radfahrende, anstatt auf der überbreiten Schleusinger Straße zu fahren, selbst bergab auf das viel zu schmale, für Radverkehr ungeeignete und durch die Pfosten gefährliche Asphaltband hinter der Leitplanke ausweichen.
Mit der Maßnahme und weiteren Verbesserungen für Rad und Fußverkehr zeigt sich die Stadt zukunftsweisend für eine attraktives Suhl. Wir sollten uns vor Augen halten, dass eine Stadt für Menschen gebaut wird und jederorts ruhiges Wohnen, Arbeiten und die Freizeitgestaltung möglich sein sollte. Dies wird nicht erreicht, indem der motorisierte Individualverkehr dominiert. Jeder Mensch sollte in der Lage sein, seine Mobilität selbst zu wählen. Menschen ohne Führerschein und Auto, weil beides in den letzten Jahren und in Zukunft sehr teuer ist und wird oder weil sie ihrer Verantwortung gegenüber künftigen Generationen gerecht werden wollen, dürfen hierbei nicht benachteiligt werden. Auch sie sollten die Möglichkeit bekommen, individuell ihre Alltagswege bestreiten zu können. Besonders für Kinder und ältere Menschen Gehbehinderung stellen unsere großen Verkehrsachsen unüberwindbare Hindernisse dar, die sie stark in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken. Suhl ist eine Stadt mit einem sehr hohen Altersdurchschnitt. Damit die Stadt auch für junge Menschen attraktiv wird und diese hierbleiben oder sogar zuziehen, muss es möglich sein, den Alltag in der Stadt auch ohne eigenes Auto zu leben. Hierzu gehört der Ausbau von verkehrsberuhigten Bereichen, geschützten Radwegen und ein ÖPNV mit kurzen Takten. Daran muss die Infrastruktur angepasst werden.
In einer Stadt, die sich als Wohlfühl- und Tourismusstadt versteht, ist es auch für Urlauber und Tagesgäste attraktiv, zu den touristischen Zielen oder aus den Ortsteilen in die Stadt und umgekehrt mit dem Fahrrad zu kommen.
Unser Anliegen als ADFC ist es, eine Infrastruktur anzuregen, die sowohl Alltagswege als auch touristische Wege mit dem Fahrrad ermöglicht. In einer Stadt, in der der motorisierte Individualverkehr in der Stadtplanung einen so dominanten Stellenwert wie in Suhl hat, funktioniert dies nur, wenn die Verkehrsräume neu verteilt werden. Bei aller Diskussion ist es aber wichtig, dass es in Zukunft in Suhl für alle möglich ist, zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Auto oder dem ÖPNV alle Wege bestreiten zu können. Denn viele Fußgänger oder Radfahrer sind auch Autofahrer und umgekehrt. Wir wünschen uns, dass die Debatte um Radwege, verkehrsberuhigte Bereiche und Geschwindigkeitszonen so geführt wird, dass wir nach Gesetzes- und Faktenlage entscheiden und nicht dem Populismus verfallen. Moderne Ansätze der Stadtentwicklung machen zudem die Städte zukunftsfähig und attraktiv, deshalb sollten wir es wagen, uns darauf einzulassen. Es wird sich lohnen.